#twiceland – mit dem Motorrad durch Island | Teil2: Ein Traum

Selten habe ich mich über den Anblick einer langen Schlange wartender Autos so sehr gefreut. Sie war in diesem Fall nämlich das sichere Zeichen für uns, dass wir es noch rechtzeitig geschafft hatten und die Fähre nicht im letzten Moment vor unseren Augen ablegen würde.

Die Norröna

Wir mogelten uns also an den wartenden Landis, Jeeps und Expeditionstrucks vorbei, bis wir ganz vorne auf eine Gruppe Motorräder stießen. Von einem “bunten Haufen” konnte hier aber nicht die Rede sein. Es standen fast nur neue 1200er BMWs beisammen, deren Besitzer uns ob unserer alten Kisten eher mitleidige Blicke zuwarfen.
Während der GS-Klub tuschelte wie weit wir es mit Zelt und unseren zwei Alteisentöffs wohl schaffen würden, kam der ein oder andere XT-Bewunderer vom Landrover-Club zum Fachsimpeln rüber geschlendert und schon bald tuschelten wir unsererseits darüber, wie weit es die Dickschiff-Kapitäne mit Ihrem Übergepäck für’s Hotel wohl schaffen würden.
Dieser kleine Wettstreit wurde später auf einer recht schwierigen Strecke in der Nähe des Askja eindeutig zu unseren Gunsten entschieden, als wir den beiden “Stänkerern” aus der BMW-Fraktion begegneten. Im Jeep sitzend, mit einem einheimischen Chauffeur hinterm Steuer.

“20 miles and $200.000 don’t make you a biker ”

Letztendlich fanden wir auch neue Freunde unter den BMW-Fahrern, aber zuvor widmeten wir uns erst mal den beiden weiteren “Fremdmarken” vor der Fähre: da stand noch eine hoffnungslos überladene Suzuki GSX mit der die Isländerin Hrafnhildur und ihr Mann auf einer Tour durch Deutschland und Dänemark unterwegs waren und Michi, der auf seiner Varadero im Schnelldurchgang auf der Ringstraße die Insel umrunden wollte. Noch bevor ich mich überhaupt richtig vorstellen konnte, hatten Michi und Micha bereits ein erstaunlich ausgeklügeltes Zeitvertreibungskonzept für die nächsten 3,5 Tage auf See entwickelt: Bier, Bier, Bier, Bett, Bett, Bett.

Gewissenhaftes Verzurren ist wichtig, im Nordatlantik

Beim Verzurren der Mopeds im Bauch der MS Norröna viel mir dann noch ein Mopped mit meinem Heimatkennzeichen auf: eine GS1200 Triple Black, gefahren von Markus und Marina. Wir beschlossen später auf der Fähre uns für’s erste zusammen zu schließen, nachdem wir festgestellt hatten, dass wir gleich lange unterwegs sein werden, die selben Ziele haben und ein paar helfende Hände für die schwere BMW zumindest bei den Furten und Sandstrecken im Falle eines Falles sicher von Vorteil wären.

In den ersten 24Stunden auf See lernten wir in ausführlicher praktischer Darstellung was starkes Stampfen und Rollen bei einem Schiff bedeutet. Das Unwetter, das uns die Anfahrt so erschwerte, verfolgte uns noch immer. Da ich mich glücklicherweise, entgegen meiner Befürchtung, als völlig unempfänglich gegenüber der Seekrankheit erwies, hatte ich durchaus meinen Spaß mit dem schwankendem Schiff. Allerdings gab es nicht viele die den Spaß mit mir teilten. Übrig blieben außer unserem kleinen Moppedstammtisch, nur noch ein paar RedBull-besoffene Kids und ein polnischer LKW-Fahrer. So hatten wir die meiste Zeit die Skybar ungestört für uns und der Barmann konnte sich als DJ austoben. – Glücklicherweise hatte er sogar einigermaßen Geschmack.

Laufen auf Deck: eine große Kunst

Betrieb herrschte eigentlich nur an der Rezeption, denn da gab es die Kotztüten und eine Notapotheke.
Dort standen Sie, die Zombies. Keine Gesichtsfarbe, toter Blick, sabbernd und mit kraftlos ausgestreckten Armen umher wankend, murmelten sie undeutlich etwas von “Ahhh” und “Ohhh” und “Taaableteeen”. Die armen Geschöpfe wurden auf Schritt und Tritt in gebührendem Abstand von den SaugerSWAT-Agenten verfolgt. Diese grimmig dreinschauende Spezialeinheit von Frauen im grünen Putz- Kampfanzug war mit kleinen Spezial-Supersaugern aus der Weltraumforschung bewaffnet, welche die ungewollten Hinterlassenschaften der Zombies verschwinden ließen, noch bevor diese richtig Zeit hatten auf den Teppich klatschen. Ein sensationelles Schauspiel. Zumindest empfand ich das so, nach ein paar Bierchen.
Ebenfalls sensationell unterhalten fühlte ich mich übrigens auch von der Dusche. Bei Sturm angetrunken Duschen zählt für mich ab jetzt zu den top Hochleistungs-Risiko-Sportarten.

Weitere Lehren der Seefahrt bei Sturm: Das Bier ist immer fest zu halten und eine verankerte Bank ist einem losem Plastikstuhl definitiv vorzuziehen.

Nach einem kurzem Zwischenstopp auf den Färöer Inseln freundete ich mich bei einem kleinen Fotorundgang nur langsam wieder mit dem festen Boden unter den Füßen an. Ich hätte hin und wieder schwören können, die Straße wankt.

Am nächsten Morgen erreichten wir dann endlich das ersehnte Ziel: Iceland.
Zunächst schipperten wir noch in einer dicken, kühlen Nebelhülle, als der Captian uns über Lautsprecher wissen lies, dass wir den Hafen ansteuern. Dann, peng, zeigten sich die ersten Klippen der Insel auf einen Schlag in schönster Pracht und unglaublicher Weise bei feinstem Sommerwetter. Noch keinen Millimeter die Stollenreifen auf der Insel bewegt, war ich mir doch schon in diesem Augenblick sicher, dass sich die Mühen der Anreise gelohnt haben.

 

Den ersten Tag wollten wir es locker angehen lassen. Nachdem wir von der Fähre runter waren und Michi verabschiedet hatten, machten wir ein paar Besorgungen, auch um meine bei der Anfahrt gebrochene Tankhalterung wieder herzurichten zu können, und verbrachten ansonsten einen äußerst entspannten Abend bei schönstem Wetter am Lagarfljót-See.

Auch am nächsten Morgen wurden wir wieder von fantastischen Wetter verwöhnt. Perfekt. So lasset die Tour beginnen! Wir nahmen vom Campingplatz aus die 931, unsere erste Schotterstraße, und fuhren eine Runde um den See Richtung Norden, über den grandiosen Hellisheidi-Pass.

Wir hatten das erste mal isländischen Schotter unter den Rädern, bestes Wetter und eine unbeschreibliche Aussicht. Beflügelt von so viel Hochgefühl wollte Micha dann auch gleich noch einen wirklich schwierigen Track zum Gipfel erklimmen. Er hat es wohl sehr schnell bereut, aber außer ein wenig Zeit, viel Schweiß und etwas Sprit forderte die Aktion keine nennenswerte Verluste.

Durch schöne Landschaften mit vielen Fotostopps fuhren wir bis Porshofn, wo wir unseren ersten von ca. 100 isländischen N1-Tankstellen-Burgern schnabulierten.
Da der Tag sich mittlerweile mit großen Schritten dem Ende näherte und wir noch bis Aisbyrgi zum Campingplatz wollten, trennten wir uns. Marcus und Marina heizten mit der BMW die Ringstraße entlang und Micha und ich nahmen den kürzeren Weg über eine astreine Endurostrecke.

Für die Fahrt zum Dettifoss-Wasserfall ließen wir am nächsten Morgen unser Gepäck auf dem Campingplatz zurück und konnten dadurch die Piste zum leistungsstärksten Wasserfall Europas umso mehr genießen und nicht selten hingen bei kleinen Sprüngen auf dieser Buckel-Strecke auch beide Räder in der Luft.

Nachdem wir unser Gepäck vom Campingplatz aufgesammelt hatten ging die Fahrt weiter nach Husavík wo wir uns etwas außerhalb der „Stadt“ unsere nächste Bleibe aussuchten. Den Campingplatz Heidabaer. Nachdem wir gelernt hatten, dass man sich in Island überall vor betreten des Hauses die Schuhe auszieht, war der Besitzer auch nicht mehr ganz so grimmig zu uns und wir kamen nach diesem spitzen Motorradtag noch in den Genuss auf eiskaltes Bier im heißen Hotpot. Ein Traum!

Teil3: Off the Road

Teil1: Anfahrtskrimi

Von ernie-troelf

Vespa V50 | Yamaha SR 500 | Honda CRF 250L | Honda NC 700S | Beta Rev3

5 Kommentare

  1. Grandios! Einer deiner Besten Artikel bisher, finde ich!

    Und wo ich die Vorschau auf Teil 3 lese, fällt mir auf, was wir an Silvester vergessen haben. 🙂

  2. Kann mich den beiden Vorrednern nur anschließen. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken die Twiceland Tour als Buch verlegen zu lassen. Ich würde sofort eins kaufen 🙂 LG

Kommentare sind geschlossen.