baja300 – Teil 2: Rookie on Rallye

Von einer Sinfonie harmonisch brüllender Verbrennermotoren verschiedenster Hubraumklassen werde ich sanft in den Schlaf gewogen. Doch die grässliche Sirene des Weckers lässt mir kurz darauf die Augen schon wieder aufploppen.
Noch im Halbschlaf wird der Espressoaufbereiter durch geladen und der Benzinkocher gezündet. Erst der Genuss einer ordentlichen Mokka-Brühe befähigt mich dazu einigermaßen koordiniert meine Rüstung anzulegen.
Nachdem die Schutzausrüstung ordentlich sitzt, will das Roadbook eingefädelt werden. Schnell stellt sich heraus, dass dies meine feinmotorischen Fähigkeiten um diese Uhrzeit noch ein wenig Überfordert.
Ein paar Tipps und helfende Hände von Tina sind da mal wieder sehr willkommen. 

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Sobald der meterlange Papierstreifen endlich ordentlich im Kasten sitzt, sind die Maschinen auch schon Startbereit. Unsere Arbeitsgeräte, die uns freundlicherweise vom Team Kaiser zur Verfügung gestellt und vor Ort gepflegt werden, sind KTMs (450 & 500 exc), ausgestattet mit Rallyevorbau (Roadbookhalter und Tripmaster) und diversem Rallyetuning. Für den richtigen Grip auf dem anspruchsvollen Untergrund spendierte Metzeler dem Dirtgirls Rallye Team die passenden Weltmeister-Reifen (Mce 6 Days Extreme). – Was soll da noch schief gehen?

Die ersten Maschinen starten. Die Nervosität steigt.
Was kommt da heute wohl auf mich zu?
Mit dem Drücken des kleinen Magic-Buttons und der unmittelbaren Antwort „meiner“ KTM bin ich endgültig wach. – So lasset die Spiele beginnen!
Zuerst geht es jedoch gemütlich nur ein paar Kilometer weiter bis zum Vorstart. Dort sammeln sich alle Fahrer, bevor wir in Reihenfolge der Anmeldenummern in kleinen Grüppchen zur eigentlichen Startlinie beordert und ins Rennen geschickt werden.

Nach der nervösen Warterei beim Vorstart geht an der Startlinie dann alles ganz schnell. Nochmal ein kurzer Check der Startnummern durch die Orga und schon zählt die Countdownanzeige die verbleibenden 10 Sekunden herunter.
Ich beschließe den Start locker angehen zu lassen. Erst mal in Ruhe hinterher fahren und schauen wie ich mit dem Gelände, der Maschine und dem Roadbook zurecht komme, ohne dass mir gleich jemand im Nacken sitzt.
Fünf Sekunden. Der Offizielle gibt Handzeichen. Die Ampel springt auf Grün und – ab geht die Post. Meine erste Rallye. Mein erstes mal Enduro. Mein erstes mal Wettbewerb. Hell Yeah! Da kommt Leben in die Synapsen.

Es fällt mir überraschend leicht, den Anschluss an meiner kleinen Startgruppe zu halten. Ich könnte sogar noch etwas schneller. Aber das muss das Adrenalin sein. Also bloß nichts überstürzen. Bloß nicht gleich in den ersten Kurven lang machen. Das Gelände wird immer schlammiger…
Durch den ständigen Beschuss von Matsch und Steinsalven meiner Vordermänner werde ich allerdings schnell eines Besseren belehrt. Neues Motto: Ich fahre Rennen und das Gas ist rechts. Vorsicht adé.

Ich lasse also den ein oder anderen Startkollegen hinter mir und spätestens nach dem ersten Kompasskurs verliert sich das gesamte Fahrerfeld rasch im weitläufigen Gelände. Meine Wahrnehmung beschränkt sich mittlerweile komplett auf’s Fahren und die Navigation. Keine Ahnung wen ich überhole oder wer an mir vorbeirauscht. Es gibt nur noch mich, das Motorrad und die bunten Pfeile im Roadbook. – Bis plötzlich ein sprechender Matschklumpen neben mir auftaucht, der sich als Kollege Griesgram zu erkennen gibt. Offensichtlich ist er schon in den Genuss eines ausgiebigen Schlammbades gekommen.
Ich lache – und die Bestrafung dafür folgt promt: Der nächste Matschtümpel ist mein.
Braune Wasser sind fies, oder so ähnlich.

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© Petra Kleinwächter

So nehmen Griesgram und ich die nächsten Kilometer im Partnerlook, Braun vom Helm bis zum Mopped, unter die Räder und freuen uns diebisch über jede weitere kleine gemeisterte Herausforderung an matschigen Hängen, tückischen Wasserdurchfahrten und der Navigation.

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© Petra Kleinwächter

Schon bald verliere ich, versunken in meiner Fahr-und-Navi-Meditation, Kollegin Griesgram wieder.
Trotz dem ein oder anderen Ausflug in die Horizontale geht es ganz gut vorwärts.  Ich habe einfach nur Spaß mit diesem „Offroad“ und werde mit jedem Meter sicherer im artgerechten Umgang mit der KTM.

„Yeah. I’m the master of mud“, denke ich, kurz bevor das gefräßige Moddermonster von Profen mein gesamtes Vorderrad schneller verschluckt als ich „huch“ sagen kann. Tja, Hochmut und Fall und so…
Ich ziehe und rüttele am Lenker meiner Maschine, doch nichts bewegt sich. Ich laufe vor das Motorrad, um das Vorderrad besser packen zu können und natürlich sind meine Beine sofort ebenfalls Knietief im Schlund der Schlammkrake verschwunden. Statt die Maschine zu befreien, kämpfe ich nun angestrengt darum mir selbst wieder etwas Bewegungsfreiheit zu verschaffen, was meine spärlichen Kraftreserven deutlich beansprucht. Jetzt ist erst recht nicht mehr daran zu denken, das Motorrad mit eigener Kraft aus der misslichen Lage zu befreien. Ohne die tatkräftige Hilfe des herbei eilenden Ordners, wäre hier der Spaß für mich zu Ende gewesen. Doch gemeinsam können wir das Motorrad dem gefräßigen Mudmonster von Profen wieder entreißen. Glück gehabt. Lektion gelernt. Weiter geht’s.

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© Petra Kleinwächter

Die folgenden Runden verlaufen ohne größere Zwischenfälle. Ich lerne, staune und habe mordsmäßigen Spaß.
Zum Ende der dritten Runde steuere ich trotzdem spontan, nach nunmehr viereinhalb Stunden im Sattel, das Ziel an. Ich möchte mich und das Mopped lieber für die zweite Wertungsprüfung am nächsten Tag schonen.

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Überglücklich und zufrieden fahre ich im Fahrerlager ein und erledige mit Freuden und einem debilen dauergrinsen im Matschgesicht die Alltagspflichten des Rallyesports: Mopped waschen, Roadbook vorbereiten, Essen, Teambesprechung, Fahrerbesprechung, Bier und Bett – während sich das Team Kaiser um die Moppeds kümmert. Welch angenehmer Luxus.

Neuer Tag, neues Roadbook. Aufstehen, anziehen und Roadbook einfädeln gehen diesmal schon routiniert und locker von der Hand.

Dirtgirl mit Gridgirl

Mein Ziel für heute lautet wieder schlicht: Spaß haben, möglichst fehlerfrei Navigieren und vor allem die WP2 heute bis zum bitteren Ende fahren. Ich nehme mir im Zweifel alle Zeit die ich brauche um den Kurs zu bestimmen und verfahre genauso bedacht mit der Auswahl der Spur bei schwierigen Passagen.
Doch trotz aller guten Vorsätze überrascht mich schon bald ein tückisches Wasserloch. Ich bin zu schnell, um die Spur zu treffen, die ich eigentlich möchte und prompt versinke ich mit dem Mopped bis zum Lenker im Wasser. Die Enduro gibt keinen Mucks mehr von sich. Abgesoffen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Es dauert eine Weile bis ich aus eigener Kraft die KTM aus dem Wassergraben gezerrt und auf ein halbwegs trockenes Plätzchen verfrachtet habe. Danach bin ich schon kräftig am Schnaufen und Schwitzen, doch die kleine Odysee der Wiederlebungsversuche beginnt jetzt erst.
Zwischen den verzweifelten Startversuchen mit und ohne E-Start helfe ich immer wieder andere Moppeds zu bergen, die in „meiner“ Spur versuchen den Graben zu überwinden. Irgendwann gehe ich dazu über, den ankommenden Fahrern frühzeitig den richtigen Weg zu weisen. Das scheint mir auf die Dauer weniger anstrengend.
Gerade als mein Kampfgeist bedenklich schwindet, kommt Thorsten vorbei und spricht mir wieder Mut zu. „Einfach einen Moment stehen lassen und dann kräftig kicken, ohne Anlasser, dann kommt sie wieder…“. Gesagt, getan. Nach einer geschlagenen Stunden des Kickens und Fluchens, spiele ich dann doch kurz mit dem Gedanken dem Schandwagen meine Position durchzugeben. Aber hey, das ist der letzte Tag der Rallye und ich soll nach nur einer Runde aufgeben? Nö. Das geht nicht. Niemals! Ich beschließe weiter zu kicken. Wenn es sein muss, bis das Rennen vorüber ist.

Nach weiteren 30 Minuten treten, fluchen und gut zureden werden meine Mühen belohnt. Zuerst nur mit einem zaghaften Röcheln der Maschine, doch dann kommt langsam wieder richtig Leben in die Bude. Yes!

Voller Stolz und frischer Motivation geht es weiter bis ich ein paar Meter später den die Griesgramin am Wegesrand stehen sehe. Leider bestätigt er sie meine spontane Befürchtung, dass sie auch diesmal nicht freiwillig pausiert, sondern wieder mit technischem Defekt auf die Bergung warten muss. Nach einem kurzen Plausch und Austausch der erlebten Anekdoten schwinge ich mich wieder in den Sattel. Nach dem nächsten Hügel steht das nächste Dirtgirl im Abseits. Anjas Töff hat offensichtlich auch keine Lust mehr sich weiter durch den Matsch zu wühlen. Direkt hinter der nächsten Kurve erspähe dann auch noch unseren Physio Cornell. Er liegt er wie abgeschossen im Gras und mir rutscht bei dem Anblick das Herz in die Hose. Gut dass er sofort die Daumen hebt und mich weiter schickt. Puh. Alles in Ordnung. Hat wohl auch nur mit seinem Material zu kämpfen und nutzt die Zeit für Nickerchen. Weiter geht’s.

Jeder weitere Kilometer läuft flüssiger als der letzte, ich werde immer schneller und gleichzeitig wird das Fahren immer weniger anstrengend. Arsch nach hinten und Attacke. Die Technik macht’s.

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© Petra Kleinwächter

Kurz vor Schluss schaffe ich es noch einmal mich in einer der mittlerweile ziemlich anstrengenden und tückischen Spurrillen so fest zu fahren, dass ich ein weiteres mal auf fremde Hilfe angewiesen bin. „Wenn ich es hier durch schaffe, komme ich zurück und helfe dir“ kreischt es erschöpft unter einem Helm hervor, als endlich ein Fahrer meine Position passiert. Er schafft es nicht. Also helfen wir uns gegenseitig aus dem klebrigen Schlammassel.
Durch das erneute Steckenbleiben schaffe ich die letzte Runde nicht mehr, wie geplant, vor dem Abpfiff zu Ende zu fahren. Dennoch möchte ich mir die verbleibenden 20 Kilometer der Piste nicht nehmen lassen und kann die netten Streckenposten, die mich nach Ablauf der Zeit auf die Straße umleiten wollten, dazu überreden mich die Runde auch ohne Wertung „vorsichtig“ zu Ende fahren zu lassen.

Nach knapp 6 Stunden komme ich wieder ins Fahrerlager und bedaure sehr, dass es nicht noch eine dritte Wertungsprüfung geben wird. Gerade jetzt wo ich den Bogen raus hatte.
So bleibt mir nur, nach dem ausgiebigen Kärchern von Mann und Maschine und der abschließenden Teambesprechung, mit dem ein oder anderen GinTonic meine ersten 240 Rallye-Kilometer revue passieren zu lassen und mit Griesgram Pläne zur Fortsetzung unserer Rallye-Karriere zu schmieden.

Team Dirtgirls

Tagebau Profen; Dirtgirls – wir sehen uns wieder! Es war mir ein Fest! 🙂

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DANKE an…
Tina Meier und die Dirtgirls. Es war mir eine große Ehre bei Euch mitfahren zu dürfen | 
 …dem Team Kaiser für die Moppeds. Ohne Leihmopped und Mechanikerservice hätte ich alt ausgesehen. Danke! | …die Firma GERMOT für das Sponsoring der Enduromütze Germot G350. Ein toller Helm, der durchaus gefordert wurde und mir gute Dienste leistete. | Metzeler für das Reifensponsoring. Tolle Stolle, der Mce 6 Days Extreme! | …den 4×4-Klub Leipzig mit all seinen Helfern und Sponsoren. Tolle Veranstaltung! Respekt! |

Sänk you werri matsch!

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Ergebnis:
Platz 78 (von 119 in der Kategorie Motorrad bis 180kg)
Gesamtzeit: 51:59:29
Davon gefahren: rund 10 Stunden
32 von 72 CP’s

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Bilder:
Fotos von Anja, Nina, Tina, Erna
Zeichnungen: Petra Kleinwächter (hier gibt es Petras kompletten Baja300-Comic)

Von ernie-troelf

Vespa V50 | Yamaha SR 500 | Honda CRF 250L | Honda NC 700S | Beta Rev3

2 Kommentare

  1. Super schön geschriebener Bericht! Man kann herauslesen, dass es wohl seeehhhr anstrengend war, aber der Spaß wohl doch überwogen hat.

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